Umgedrehter Spiess: Arbeitgeber werben um Fachkräfte für eine Extrazeit

von Elisabeth Michel-Alder

Umfragen sprechen von 35% aller Beschäftigten zwischen 50 und 65, die teilzeitlich über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten möchten und von 5%, die vollzeitlich weiter arbeiten möchten. Effektiv sind heute jedoch erheblich weniger Personen auch nach dem Alter 64/65 weiter angestellt. Erfahrene Personen müssen demzufolge sehr aktiv beworben werden, damit sie (weiter) arbeiten. In einem Austausch von Praktikern haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wieso dies so ist und wie Unternehmen/Organisationen das Potenzial besser nutzen könnten. Der Bedarf bei den Unternehmen ist offensichtlich vorhanden, aber unsere Experten stellen fest, dass der Leidensdruck bei den Unternehmen/Organisationen noch zunehmen muss, bevor sie dieses Potenzial professioneller nutzen. Anpassungen bei den arbeitsvertraglichen Bedingungen und im PK-Reglement reichen nicht aus. Ein Unternehmen hat z.B. das Pensionierungsalter durch ein Referenzalter im PK-Reglement ersetzt und das Arbeitsverhältnis wird erst mit Erreichen des 70 Altersjahres automatisch aufgelöst. Gleichwohl liegt das mittlere Pensionierungsalter bei 61.

Damit jemand nach 65 im Berufsleben bleibt, braucht es nicht bloss das Können, sondern auch das Wissen über das Können sowie das Wollen und das Dürfen. Das Wissen über die reglementarischen Möglichkeiten und über konkrete Arbeitsinhalte nach 65 muss frühzeitig bei den Arbeitnehmenden ankommen. Wann ist individuell unterschiedlich, aber der Pensionierungs-vorbereitungskurs ein Jahr vor dem reglementarischen Rücktrittsalter ist definitiv zu spät. Viele beschäftigen sich bereits im Alter 55 mit dem Thema. Das Wollen kann finanziell begründet sein oder emotional (Freude am Arbeitsinhalt, an der Integration in ein gutes Team, an den Herausforderungen und an den Möglichkeiten Neues zu lernen und sich weiter zu entwickeln). Und das Wollen ist bloss in wenigen Fällen ein Müssen. Je mehr die Arbeit vor 65 ein Müssen war und die Arbeit keine positiven Emotionen mehr auslöste, desto geringer dürfte das Wollen sein, wenn man nun nicht mehr muss, weil der finanzielle Druck und der gesellschaftliche Druck (Arbeitslosenversicherung, AHV-Beitrag auf dem Vermögen, etc.) weggefallen sind. Und schliesslich gibt es einen gesellschaftlichen Druck gegen das Arbeiten nach 65 (z.B. von einzelnen  Gewerkschaften und Personalverbänden) oder aus dem persönlichen Umfeld («wieso kann er/sie es nun nicht geniessen endlich nicht mehr arbeiten zu müssen»).

Was können Unternehmen/Organisationen tun? Für die Erarbeitung von Lösungen differenzieren wir in drei Dimensionen:

  • Muss jemand primär aus finanzieller Notwendigkeit weiter arbeiten oder will er/sie wegen der positiven Erfahrungen weiter arbeiten?
  • Beschäftigt das Unternehmen/die Organisation eigene Mitarbeitende nach 65 weiter oder werden zum Decken des Bedarfs auch erfahrene Personen vom Arbeitsmarkt eingestellt?
  • Befindet sich das Unternehmen/die Organisation am Beginn einer Umstellung oder hat das Unternehmen/die Organisation bereits viele erfolgreiche Beispiele und Erfahrungen mit Mitarbeitenden im Alter 65plus?

Die erarbeiteten Lösungen folgen einem Phasenablauf wie folgt

  1. Bedarf des Unternehmens/der Organisation bestimmen
  2. Anzusprechende Zielgruppe(n) festlegen
  3. Bedürfnisse der Zielgruppe(n) erfassen
  4. Konkrete Angebote erarbeiten
  5. Zielgruppe(n) über das Angebot informieren
  6. Spezifische Angebote mit anderen Marketingaktivitäten integrieren

(die Lösungen sind vorläufig nur für Mitglieder zugänglich)

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